01
Februar
2022

Miteinander in der Pandemie

Der Ort, an dem wir recht haben

An dem Ort, an dem wir recht haben, werden niemals Blumen wachsen im Frühjahr.
Der Ort, an dem wir recht haben, ist zertrampelt und hart wie ein Hof.
Zweifel und Liebe aber lockern die Welt auf wie ein Maulwurf, wie ein Pflug.
Und ein Flüstern wird hörbar an dem Ort, wo das Haus stand, das zerstört wurde.¹

Jehuda Amichai: Zeit. Gedichte.

Gerade in der Familie schafft es die Pandemie Gräben und Wälle zu errichten. Dabei hat Jede/r gute Gründe für die eigenen Entscheidungen und jede Entscheidung hat Vor- und Nachteile. Jede/r wird die Auswirkungen der Entscheidungen tragen müssen. Die Gefahr für die Familie und im gesellschaftlichen Austausch liegt darin, den Anderen vom eigenen Standpunkt überzeugen zu wollen. Dann kann nicht mehr wahrgenommen werden, was der Andere gerade fühlt, was ihn / sie bewegt. Dahin zu hören, welche Emotionen den / die Andere/n bewegt, führt dazu, dass man sich verstanden und zugehörig fühlt. Bei denen, die sich gegen eine Corona Impfung entscheiden, können die Sorgen um die Lieben, dass diese unter späteren Gesundheitsfolgen leiden gehört werden. Die, die sich für eine Impfung entscheiden, sorgen sich wahrscheinlich um die Ungeimpften. Jede Seite hat triftige Argumente. Keine/r will die Lieben auf der Intensivstation beatmet wissen. Angst kann dazu führen, sich so oder so zu entscheiden.

Zur Verfügung stehen nur Teile von Informationen, da fällt das Entscheiden schwer. Das Band, welches die Mitglieder einer Familie zusammenhält ist existenziell und unkündbar. Diese Verbindung kann gepflegt werden, indem einander zugehört wird ohne zu bewerten und ohne sich gegenseitig überzeugen zu wollen.

Es ist wichtig, sich stets bewusst zu sein, dass alles Sein darf und dazu gehört sowie, dass das, was ausgegrenzt wird, gestärkt wird. Ebenso sollte stets klar sein, dass alles, was gesagt wird, von Jemandem geäußert und damit immer auch subjektiv geprägt ist.

Wichtig ist es für Jede/n von uns gesund zu bleiben, zufrieden mit sich selbst zu sein und sich sicher gebunden in der Familie so wie er / sie ist zu fühlen. Das ist unser Wunsch für Jede/n von uns.

>  Wann haben Sie zuletzt einem lieben Menschen ganz offen und interessiert zugehört?

>  Was haben Sie beim Zuhören über diesen Menschen erfahren?

> Was hat es in Ihnen ausgelöst, die Emotionen dieses Menschen wahrzunehmen?

Wir wünschen Ihnen den Mut, sich auf die Gefühle Ihrer Lieben einlassen zu können.

Katrin Firmthaler-Ködel und Diana Aust

1 Quelle : https://www.nwerle.at/Vigtexte/Amichai.htm am 27.11.2021

Monatspost Februar 2022