Phantasiereise

„Ein Abenteuer zum Tagesabschluss“

Jetzt ist die Luft nicht mehr so heiß und drückend, wie den ganzen Tag über. Der Tag war lang, voller Aufgaben und vielfältiger Eindrücke.
Nun zieht es mich raus aus allem Alltäglichen und meine Füße wandern wie von selbst den Anstieg hinauf. Ich verlasse den Ort und gelange zu einer Wiese oberhalb der Ortschaft.
Hier habe ich das Gefühl von Weite und ich kann meinen Blick schweifen lassen. Ich sehe Wiesen, Hecken, Zäune, Häuser, Straßen und Wege, Bäume und Tiere. Der Storch fliegt über meinen Kopf hinweg. Auf einer Weide stehen Alpakas, auf einer anderen Weide grasen Ziegen und Schafe. Eine Katze streicht über ein Stück Feld.
Auch Hühner kann ich als kleine bewegliche Punkte sehen. Es riecht nach Flieder und die Luft schmeckt nach Gelassenheit. Dies ist mein Kraftort. Hier gewinne ich eine neue Perspektive und kann mich selbst wieder besser wahrnehmen.
Hast Du auch so einen kraftvollen Ort, wo Du Stärke und Ruhe gewinnen kannst? Ein Ort, der Dich zu Dir selbst bringt? Wo ist Dein stärkender Ort? Was siehst, hörst, riechst und schmeckst Du dort?
Heute jedoch bin ich überrascht. Statt der vertrauten, bunt blühenden, sommerfriedlichen Wiese, die sonst nur auf mich zu warten scheint, wie eine Decke, die mich einlädt, darauf zu liegen, erwartet mich heute ein Heißluftballon. Sein riesiger orangener Ballon schwebt würdevoll im Himmelsgelb und wird von der allmählich untergehenden Sonne angestrahlt. In gelben Buchstaben steht ABENTEUERREISE auf der orangenen Ballonseide.
Kurz zögere ich. Ich bin unsicher, ob ich mutig genug für ein Abenteuer bin.
Gleichzeitig reizt mich die Verlockung, dem Alltag zu entkommen und dem Tag noch einen besonderen Glanzpunkt zu verleihen. Wer weiß, vielleicht führt ein Abenteuer mich ja zu mir selbst, denke ich und klettere dabei schon in den Ballonkorb.
Kaum dass ich mich sicher im Korb befinde, lösen sich die Seile und die Fahrt beginnt. Ich hole tief Luft und versuche herauszufinden, was ich tun muss, um die Fahrt mitbestimmen und mitgestalten zu können. Plötzlich weiß ich, was zu tun ist. Wie ein uraltes, vor langer Zeit gespeichertes Programm gewinne ich Sicherheit in der Steuerung des Ballons. Das Gefühl, ich weiß, was ich tun muss, beruhigt und entspannt mich.
Ab jetzt kann ich die Fahrt genießen. Mich umweht ein warmes Abendlüftchen, welches mich angenehm erfrischt. Die Luft ist klar und ich genieße die neue Perspektive. Alles von noch weiter oben zu sehen macht mir bewusst, dass meine Sorgen am Boden hier oben ebenso klein werden, wie die Häuser, Bäume und alles, was sich tief unter mir befindet. Der Korb schwebt in der Luft und die Fahrt des Ballons ist gemächlich. Manches kenne ich, anderes sehe ich neu. Die Sonne begleitet mit ihren letzten Strahlen meine Fahrt. Ein Vogel fliegt ein kleines Stück neben dem Ballon. So kann ich mir seine Flugbewegungen von Nahem ansehen. Ich staune über das Wunder der Natur und die Schönheit all dessen, was mich umgibt.
Meine Gedanken beginnen zu fließen und lassen den Tag vorüberziehen. Da war mein Start in den Tag mit herrlich-gleißendem Sonnenlicht, welches Feld und Flur schon in den Morgenstunden in Festtagslicht versetzte. Die Natur am Morgen eines Sommertages konnte ich bei meiner Fahrt zur Arbeit bestaunen. Während meiner Arbeit gab es eine Reihe guter Gespräche. Für eine erledigte Aufgabe erhielt ich eine positive Rückmeldung. Zugleich gab es auch den Druck, eine Vielzahl von Aufgaben und diese möglichst in sehr guter Qualität erledigen zu wollen. Zu Hause erwarteten mich Mann und Kinder und jeder hatte seine Anliegen an mich. Wir fanden zusammen beim gemeinsamen Kochen. Beim Abendessen berichtete Jede/r von seinen heutigen drei Glücksmomenten. Später lagen wir im Garten und lasen uns vor.
Welches waren heute Deine drei Glücksmomente? Was hast Du in diesen drei besonderen Momenten gesehen, gefühlt, gerochen, gehört? Wenn Du Lust hast, finde zu jedem Deiner herrlichen Augenblicke ein Symbol und zeichne Dir diese auf. Bei dem Gedanken an meine heutigen drei Glücksmomente, die Fahrt zur Arbeit am Morgen, ein gutes Gespräch mit offenem Ohr und das Vorlesen im Garten muss ich schmunzeln.
Alles, was mir während meiner Ballonfahrt in den Kopf kam, konnte ich wahrnehmen und wie Wolken ziehen lassen. So bin ich nun ganz ruhig und geerdet als ich tatsächlich wieder auf meiner Wiese ankomme. Der Korb setzt stockend auf, rutscht noch ein Stück holpernd über das Gras und fällt dann um. Der Ballon lässt warme Luft raus und legt sich dann wie in Zeitlupe auf der Wiese zum Ausruhen nieder. Im Frieden mit mir und meinem Tag klettere ich aus dem Korb und gehe nach Hause.

Quelle: Katrin Firmthaler-Ködel / 2021

© Dila Schäfer
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